Die USA sind daran gescheitert, nicht nur Covid-19, sondern auch China einzudämmen. Die „Eindämmung Chinas“ war unter Barack Obama seit 2011 das erklärte Ziel der US-amerikanischen Außenpolitik, die sich von Europa und Russland abwenden, und stattdessen dem Pazifik und Ostasien zuwenden wollte. Das wurde „Pivot to Asia/Pacific“ genannt, d.h. Schwerpunktlegung auf Asien und die Pazifikregion. China sollte von allen Nachbarländern und dem Rest der Welt isoliert werden. Aber schon Russland hatte mit seiner machtpolitischen Besitzstandswahrung in Ukraine (Krim) 2014 und Syrien 2015 Obama einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Und nun hat China mit 15 anderen asiatischen und pazifischen Staaten am 14.11.2020 RCEP, das größte Freihandelsabkommen der Welt, abgeschlossen. Das ist Integration statt Isolation. Damit ist nicht nur Barack Obama gescheitert, sondern auch Donald Trump, der die USA aus dem Konkurrenzprojekt TPP zurückzog, und sie damit von der Weltregion Asien-Pazifik isolierte. Nicht China wurde eingedämmt, sondern der globale Hegemonieanspruch der USA zurückgebaut.
Alte Rezepte in einem neuen Jahrhundert
„Make America great again“ ließ sich mit den Konzepten der vergangenen Jahrhunderte (Re-Industrialisierung, Protektionismus, Kanonenbootpolitik) nicht verwirklichen.
Nicht, dass es wünschenswert gewesen wäre, aber gewonnen hätten die USA nur, wenn sie das vorhandene Geld für die Entwicklung von Zukunftstechnologien verwendet hätten. Sie haben es aber kurzsichtig in immer weitere Kriege, imperiale Machtkämpfe und vor allem private Kapitalanhäufung gelenkt, die kurzfristige Gewinne statt langfristige Investitionen bevorzugt. Das waren Schüsse ins eigene Knie, genauso wie Jahrzehnte zuvor die Verlagerung der Industrieproduktion nach China, damit Unternehmer und Anleger höhere Gewinne und Renditen einstreichen konnten.
In einer Zeit, in der die meisten RCEP-Länder gut bis sehr gut die Pandemie bewältigen, aber die USA und Europa planlos Billionen verbrennen, verstärkt sich folglich die Dynamik der Herausbildung einer multipolaren Weltordnung. Das vielbeschworene pazifische Jahrhundert schaltet in diesem Jahr die Gänge hoch.
Zudem haben die Mitgliedsländer der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO) am 10.11.2020 ihr Post-Pandemie-Handlungskonzept besprochen. Neben der wirtschaftlichen Erholung soll insbesondere die Digitalisierung der Wirtschaft und Sicherheit in der Informationstechnologie vorangetrieben werden. Das westliche Pendant dazu wird voraussichtlich im Mai 2021 das „Great Reset“ auf dem Weltwirtschaftsforum in Luzern (nicht Davos) sein. Wegen der Pandemie ist es verschoben worden. Asien nimmt hingegen zwei Meilensteine in einer Woche!
Was auch immer Krisenprofiteure mittels Schock-Strategie in diesem „Great Reset“ aus der Covid-19-Pandemie rauszuholen hoffen – der Westen geht währenddessen unter. Das Kooperationsmodell der SCO hat sich in der Pandemie bewährt, das der EU hat versagt.
Und Deutschland hat indes nichts Besseres zu tun, als eine Fregatte nach Fernost zu schicken. Soll das Kanonenbootpolitik wie zu Kaisers Zeiten sein? Oder ist es nur ein hilfloses Festhalten an neueren, nun aber auch schon wieder von der Realität überholten Strategiepapieren einer „Grand Area“ der EU, einem Einflussbereich Europas von der Arktis bis Zentralafrika, nach Zentralasien und bis an die Straße von Malakka?
Das ist geopolitischer Hochmut, der vor dem Fall kommt.
Den Drachen reiten
Stattdessen könnte sich Deutschland als kontinentaleuropäische Gegenstation der Neuen Seidenstraße positionieren, die chinesischen Züge, die in Duisburg entladen werden, seinerseits mit Produkten „Made in Germany“ bestücken, und so den aufsteigenden chinesischen Drachen „reiten“ statt sich mit realitätsvergessenen Muskelspielchen vor ihm lächerlich zu machen.
Das – auf den Schultern einer echten Bildungsoffensive – wäre die einzige Chance, der „Detroitisierung“, d.h. Deindustrialisierung und Verelendung, Deutschlands zu entgehen. Nicht Kanonenboote, sondern Bildung, die Erfindungen generiert und Handel stimuliert, ist das Fundament allen Wohlstandes in diesem Land. Aber bezeichnenderweise wird auch die Bildung von unserer grundfalschen Covid-19-Eindämmungspolitik nicht geschützt, sondern eingedämmt.
Wir fahren also im Rückwärtsgang in die falsche Richtung. China muss uns nicht zu Fall bringen. Das schaffen wir ganz alleine. Der Letzte muss hier auch nicht mehr das Licht ausmachen. Das geht vorher von selbst aus.